Nachtflug zum Mond

Endutec überwacht die automatisierte Nachtfertigung von Mondfahrzeugteilen mit der MDE-Software StateMonitor von HEIDENHAIN

Welcher Teilefertiger kann von sich behaupten, dass seine Werkstücke auf den Mond fliegen? Der Zwölf-Mann-Betrieb Endutec am Chiemsee hat nach den Sternen gegriffen: Er fräste 30 Teile, die zunächst als unfräsbar galten. Diese sind jetzt fester Bestandteil der „Mission to the Moon“, dem ersten deutschen Flug zum Mond.

Wir schreiben das Jahr 2104. Das Raumschiff Covenant ist unterwegs zu einem entlegenen Planeten. Als es dort landet, wähnt sich die Crew in einem bewohnbaren Paradies. Maggie Faris macht sich mit dem Audi lunar quattro auf, um das unbekannte Terrain zu erkunden. Doch bald wird der Besatzung bewusst, dass sie in einer finsteren Welt gefangen sind.

Während die meisten Science-Fiction-Fahrzeuge der kreativen Feder Hollywoods entspringen, ist beim Film „Alien: Covenant“ das Gegenteil der Fall. Der Moon-Rover Audi lunar quattro ist pure Realität. Er ist einer der Protagonisten der „Mission to the Moon“. Ein halbes Jahrhundert ist es her, dass Neil Armstrong den Mond betreten hat. Jetzt will das deutsche New-Space-Startup PTScientists aus Berlin an den Landeplatz der Apollo 17 im Taurus-Littrow-Tal zurückkehren. Dazu entwickelte das Raumfahrtunternehmen zusammen mit seinen Partnern das Mondlandegerät ALINA sowie das Mondfahrzeug Audi lunar quattro.

„Um etwas zu erreichen, muss man genau wissen, was man möchte, die Schritte gedanklich durchspielen und schließlich auch gehen.“

Andreas Flieher, Endutec

Der Auftrag

Für die Herstellung der Bauteile des Moon-Rovers ging das Entwicklerteam zunächst auf etablierte Fertiger in der Luft- und Raumfahrt zu, welche die Teile jedoch als nicht herstellbar einstuften. Erst bei Endutec am Chiemsee stieß PTScientists auf offene Ohren. Eigentlich fertigt der Sondermaschinenbauer hochgenaue Manipulatoren für die Halbleiterindustrie und hat sich mit einem eigenen Automatisierungskonzept ein weiteres Standbein aufgebaut. „Uns war schnell klar, dass das eine einmalige Chance ist und wir mussten einfach Ja sagen“, erzählt Endutec-Geschäftsführer Andreas Flieher.

Die Hindernisse

Gemeinsam mit seinem Kompagnon Michael Hascher und einem Team aus Konstrukteuren und Zerspanungsmechanikern machte er sich an die Umsetzung – und stieß auf drei große Herausforderungen.

Erstens sollten sich die Bedenken der Raumfahrtexperten bewahrheiten: Die Konstruktion musste angepasst werden, um die Bauteile überhaupt fräsbar zu machen. „Wir haben durchgehend sehr dünne Wandstärken, denn in der Raumfahrt wird auf jedes Gramm geachtet“, erklärt Flieher. Dies wird deutlich, wenn man die Mondfrachtkosten betrachtet, die bei einem Grundpreis von 800 000 Euro pro Kilogramm liegen.

Zweitens war die Deadline mit knapp zwei Monaten äußerst kurzfristig. Nichts Neues in der Mondfahrt, wenn man bedenkt, dass die NASA damals unter enormem Zeitdruck stand, die von Präsident John F. Kennedy angekündigte bemannte Mondlandung spätestens Ende der Sechzigerjahre zu realisieren.

Drittens mussten die extrem langen Fertigungszeiten von bis zu 14 Stunden mit den vorhandenen Kapazitäten realisiert werden, trotz voller Auftragsbücher. „Der einzige Weg war, über unsere eigene Automatisierung die Nachtstunden und das Wochenende zu nutzen“, sagt Flieher. „Dazu gehört der Bestückungsroboter in Kombination mit dem HEIDENHAIN StateMonitor, der uns aktiv über den Zustand der Maschinen informiert.“

Die Strategie

Endutec setzte sich ein klares Ziel und stellte entsprechend den Zeitplan für das Mondfahrtprojekt auf. „Um etwas zu erreichen, muss man genau wissen, was man möchte, die Schritte gedanklich durchspielen und schließlich auch gehen. Die Gefahr ist, auf halber Strecke umzukehren, wenn Schwierigkeiten auftreten“, sagt Flieher. Umdrehen kommt für ihn grundsätzlich nicht in Frage. Dazu ist er zu ehrgeizig. „Als Unternehmer hat man den Anspruch, das Beste herauszuholen. Ich mag es, die Dinge anzupacken und etwas zu schaffen.

Die Umsetzung

Als es in die Fertigungsphase der Mondfahrzeugteile ging, hatte das Endutec-Team einen klaren Plan. Tagsüber arbeiteten die Mitarbeiter Aufträge der Bestandskunden ab. Kurz vor Feierabend spannten sie die Rohlinge für die Moon-Rover-Bauteile in die Automatisierung ein. Vor allem die Komponenten mit langen Laufzeiten bestückte der Roboter dann nachts und am Wochenende.

„Natürlich läuft der mannlose Betrieb nicht immer einwandfrei“, sagt Flieher. „Ich erinnere mich an eine Situation, als die Maschine am Wochenende an ihr Kühlmittelminimum kam. Ohne die Push-Meldung des StateMonitors hätten wir zwei Fertigungstage verloren.“ Die aktive Information durch die MDE-Software erleichtere die Arbeit signifikant. „Zuvor hatten wir in der Maschine eine Webcam installiert. Um den Zustand zu kontrollieren, musste ich mich aktiv einwählen. Ich stand also abends und am Wochenende permanent unter Stress.“

„Der einzige Weg war, über unsere eigene Automatisierung die Nachtstunden und das Wochenende zu nutzen. Dazu gehört die Roboteranlage in Kombination mit dem StateMonitor, welcher uns aktiv über den Zustand der Maschinen informiert.“

Andreas Flieher, Endutec

Die Automatisierung

Die Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen haben Flieher und Hascher bei Endutec von Anfang an mitgedacht. 2009 fingen sie als Ingenieurbüro an, nachdem die Firma, für die sie arbeiteten, in der Krise zusperrte. Drei Jahre später bauten sie eine eigene Produktion inklusive Automatisierungskonzept auf. Dieses Konzept verkaufen sie auch an Unternehmen weiter.

„Wir nutzen die Kombination aus den technischen Möglichkeiten, sprich dem automatischen Beladen der Maschinen durch unsere Roboteranlage plus dem Monitoring über den StateMonitor. Das macht uns effizient.“ Flieher ist überzeugt von den positiven Auswirkungen der Automatisierung auf die Tätigkeit seiner Mitarbeiter. Diese könnten wesentlich entspannter ihre Aufträge abarbeiten, indem sie sich auf höherwertige Aufgaben konzentrierten – oder auch einmal früher Feierabend machten.

Das Potential

Endutec hat es verstanden, die digitale Revolution für sich zu nutzen. Denn eine Refinanzierung nach dem Aufbau des Maschinenparks funktioniert am besten über die Ausnutzung der Kapazitäten. „Auch hier haben wir den StateMonitor genutzt, um verstecktes Potential aufzudecken und die Maschinenauslastung hochzufahren.“ So schafft es ein Zwölf-Mann-Betrieb, am Rande des Alltags Außergewöhnliches zu leisten. „Dieses Projekt hat jeden einzelnen unserer Mitarbeiter stark motiviert. Wer kann schon von sich sagen, dass Teile, die er gefertigt hat, auf den Mond fliegen?“